Leser sind keine Kritiker
[Fotocredit: Andrea Piacquadio, Pexels]
Als Autor wünschst du dir nichts sehnlicher, als von deinen Lesern Feedback zu bekommen, das deine harte Arbeit bestätigt. Du möchtest Begeisterung spüren, Lob hören, und am liebsten natürlich auch eine emotionale Verbindung zu deinen Figuren und deiner Geschichte sehen. Vielleicht möchtest du auch nur hören, was für ein kreativer Tausendsassa du doch bist.
Was du gerne hören möchtest:
„So schön! So viel Fantasie! Vor allem Charakter X ist mir ans Herz gewachsen, der ist so witzig und erinnert mich an Y. Der Story-Twist mit dem Z kam völlig unerwartet für mich! Deine Dialoge sind so spritzig! Ich konnte es nicht mehr weglegen! Am Ende habe ich sogar etwas geweint. Ich habe es schon einige Male weiterempfohlen.“
Solches Feedback wäre es, das dein Autor*innen-Herz höher schlagen lässt. Es würde dir zeigen: Deine Geschichte hat gewirkt. Sie hat jemanden erreicht, berührt, unterhalten. Jemand weiß deine Mühen zu schätzen. Aber die Sache ist: Leser sind keine Kritiker, und ihre Rückmeldungen sind in der Regel nicht das, was du gerne hören würdest. Was du tatsächlich zu hören bekommst:
“Ich musste mich da echt reinfuchsen.”
„Die Protagonisten haben alle doofe Namen.“
”Ich glaube, ich habe nur die Hälfte verstanden – aber sonst echt toll!”
„Die vielen Fremdwörter — Wahnsinn! Ich habe einfach drumherum gelesen!“
”Ich weiß immer noch nicht, wie der Protagonist heißt – Brombombadudel?”
”Die Geschichte kam mir bekannt vor, da gab’s doch diesen rumänischen Stummfilm … .”
„Ich lese vor dem Schlafengehen ein Kapitel. Deine Kapitel sind dazu aber zu lang dafür.“
Erkennst du dich hier wieder? Vielleicht hast du diese oder ähnliche Aussagen schon einmal gehört und dich gefragt, ob deine Leser überhaupt verstehen, wie viel Arbeit und Herzblut in deinem Buch steckt. Die Antwort lautet: nein, wahrscheinlich nicht.
Und das ist tatsächlich okay so.
Leser sind keine Literaturkritiker. Sie analysieren nicht jede Textstelle, untersuchen keine Motive oder bewerten die narrative Struktur deines Werkes. Sie lesen, um sich unterhalten zu lassen, um zu entspannen, um in eine andere Welt einzutauchen. Das bedeutet, dass sie oft oberflächliche Details wahrnehmen oder sich an Kleinigkeiten stören. Sie betrachten ein Buch aus ihrer ganz eigenen Perspektive und haben weder die Absicht, noch die Gabe, dir eine differenzierte Analyse zu liefern. Stattdessen rücken ihre persönlichen Vorlieben, Gewohnheiten und Leseerwartungen in den Vordergrund. Ein langer Satz mag für einen Leser anstrengend, für einen anderen poetisch sein. Fremdwörter, die du bewusst eingesetzt hast, um Authentizität zu erzeugen, wirken auf manche Leser einfach wie Hindernisse bei einem Hürdenlauf.
Auch wenn solche Kommentare frustrierend sein können, sind sie dennoch wertvoll. Sie zeigen dir, wie dein Buch von einer breiteren Leserschaft wahrgenommen wird. Hier ein paar Tipps, wie du solche Rückmeldungen nutzen kannst:
Höre genau zu: Gibt es Muster in den Kommentaren? Wenn viele Leser ähnliche Dinge anmerken, könnte es sinnvoll sein, diese Punkte zu überdenken. Unterscheide zwischen Geschmack und Substanz: Nicht alle Kritiken müssen zu Änderungen führen. Manchmal ist es einfach nur Geschmackssache. Du kannst nicht alle zufriedenstellen, und das solltest du auch nicht versuchen. Bleibe dir treu.
Am Ende des Tages ist es wichtig, dass dein Buch seine Zielgruppe findet. Es wird immer Leser geben, die deine Arbeit lieben, und solche, die sie kritisieren — manchmal aus Gründen, die du nicht nachvollziehen kannst. Das bedeutet jedoch nicht, dass du als Autor versagt hast. Es bedeutet nur, dass Leser … na ja, Leser sind. Sie lesen, sie lieben, sie nörgeln. Und genau das macht die Vielfalt der Leseerfahrung aus.
Was meinst du dazu?
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